In einem Land wie Griechenland, das randvoll ist mit antiken Ruinen, muss man ganz klare Entscheidungen treffen. Nicht alle Ruinen sind gleich interessant, und man kann ja schließlich nicht alle besichtigen. Manche historische Stätten sind ganz einfach faszinierender, schöner als andere. Dies sind die Ruinen, die man sich auf die Reiseliste schreiben muss.
In Griechenland finden sich natürlich auch Hunderte und Aberhunderte Tempelruinen. Jeder Tempel ist einer bestimmten Gottheit geweiht.
Und so machten das die alten Griechen. Sie bauten religiöse Stätten an wichtigen Orten, um den Segen der Götter für ihre Vorhaben zu erbitten. Die Griechen waren eine vom Meer sehr abhängige Zivilisation. Das Meer war Nahrungsquelle, Handelsforum und auch Kriegsschauplatz. Das bedeutete, dass der Gott, der für das Meer zuständig war, ganz besonders wichtig war. Dieser Gott war natürlich Poseidon.
Es gibt so einige Poseidon-Tempel in Griechenland und der ehemaligen antiken Welt. Den, den wir besichtigten, steht am Kap Sounion bei Athen. Er ist ca. 2.400 Jahre alt und überblickt einen der schönsten Küstenabschnitte der griechischen Ägäis.
Der Poseidon-Tempel am Kap Sounion
Der dem Meeresgott Poseidon gewidmete Marmortempel am Kap Sounion ist unserer Meinung nach einer der schönsten Tempel, die ihr in Griechenland zu Gesicht bekommen werdet. Er befindet sich in einer außergewöhnlichen Lage mit Blick auf das Ägäische Meer.
Heute ist diese Gegend, wohl auch aufgrund ihrer Nähe zu Athen, ein Tummelplatz für die Reichen und Schönen. Früher jedoch, da glaubte man, König Ägäis hätte sich hier aus Trauer von den Klippen geworfen. Er hatte irrtümlich angenommen, dass sein Sohn bei dem Versuch, den Minotaurus zu töten, gefallen sei. Eine herrlich tragische Geschichte, die sich ganz hervorragend für diesen tragisch schönen Küstenabschnitt eignet.
Den Poseidon-Tempel am Kap Sounion erreicht man nach nur zwei Stunden Busfahrt von Athen. Oder man nimmt die Anfahrt vom Kreuzfahrthafen in Piräus, wie wir es getan haben. Eine perfekte Distanz für eine kurze Stippvisite von der griechischen Hauptstadt. Besonders praktisch, wenn man den Sonnenuntergang von hier sehen möchte. Denn das zählt mit zu den romantischsten Dingen, die man in dieser Gegend unternehmen kann.
Selbst der britische Dichter Lord Byron bewunderte die Schönheit dieses Ortes auf seiner Griechenlandreise Anfang des 19. Jahrhunderts. Seine Zeilen sind voller Melancholie. Er schrieb:
‚Place me on Sunium’s marbled steep, Where nothing, save the waves and I, May hear our mutual murmurs sweep…’
Wir lieben Byron und seinen hedonistischen Freigeist. Er ist einer unserer liebsten Reise-Schriftsteller. Er hatte auch eine unheimliche Fähigkeit, richtig schöne Orte zu finden.
Man sagt, Byron habe das Kap gleich zweimal besichtigt. Eine kleine Inschrift in einer der Säulen zeigt seinen Namen. Jedoch ist nicht gesichert, ob Byron diese Inschrift selbst angebracht hat, oder ob man sie später hinzugefügt hat. Heutzutage ist die Stelle schwer zu sehen. Um weitere Schäden zu vermeiden, sorgen Zäune heute dafür, dass man der Ruine nicht zu nah kommt.
Ein spekatakulärer Sonnenuntergang über dem Mittelmeer
Auf dem Schiff buchten wir eine Tour, die uns rechtzeitig zum Sonnuntergang zum Kap bringen sollte. Sicher, der Poseidontempel ist zu jeder Tages- und Nachtzeit toll anzusehen. Wir aber wollten den warmen Schein der untergehenden Sonne auf dem weißen Marmor stehen. Ein Traum für jeden Hobbyfotografen!
Gerade noch rechtzeitig kamen wir am Tempel an. Dieser befand sich auf der Spitze einer kleinen Anhöhe, empor gehoben wie eine Gabe an die Götter. Die langen Säulen gerade und hochaufragend in ansprechender Harmonie. Ihn so von unten zu betrachten erweckte in uns ein Gefühl der Demut. In seinem Schatten fühlten wir uns auf einmal klein und unbedeutend. Trotz seiner Unvollständigkeit war der Tempel perfekt.
Mit jeder weiteren Minute änderte sich das Farbspiel auf der marmornen Leinwand der Säulen. Von Goldgelb wechselte die Palette zu Orange, dann Rosa. Die Schatten wurden tiefer, tauchten nach und nach verschiedene Bereiche in Dunkelheit. Details wurden sichtbar, andere verschwanden. Nach wenigen Augenblicken waren das Schauspiel auch schon wieder vorbei, die Farben erloschen. Zurück blieb ein Schattenspiel menschlicher Zivilisation, ein Andenken an die grandiose Vergangenheit der alten Griechen. Nur eine flüchtige Erinnerung an unsere menschliche Sterblichkeit.
Eine geschichtsträchtige Stätte
Die Sounion-Halbinsel ist militärisch strategisch gelegen und galt lange Zeit als wichtiges Standbein in der Verteidigungslinie entlang der Küste. Die Lage war günstig, um alle Aktivitäten entlang der Athener Küste, am Hafen von Piräus und in den nahegelegenen Silberminen zu überwachen. Für die Griechen war dies also eine überlebenswichtige Stelle. Wir hingegen bewunderten vielmehr die traumhafte Aussicht über die Ägäisküste.
Ein Spaziergang rund um die Stätte offenbart eine ganze Reihe von militärischen Verteidigungseinrichtungen. Man erkennt ganz deutlich die Anlage einer geradlinigen Straße, die zwischen Behausungen verlaufen sein musste. Ein bisschen weiter am Perimeter sind die Fundamente einer Verteidigungsmauer samt Türmen auszumachen. Wer einen Ausflug bis hierhin plant, sollte auf jeden Fall diese historisch wichtigen Randbemerkungen nicht so einfach links liegen lassen.
Für ein letztes Foto überquerten wir die Terrasse des kleinen Besuchercafés und kletterten auf den benachbarten Hügel neben dem Kap. Ein herrlicher Aussichtspunkt, von wo aus wir unser letztes Foto für den Tag vom Tempel schossen, als er sich als eine schwarze Silhouette vor dem pinkfarbenen Abendhimmel abzeichnete. Bei einem Ausblick wie diesem fällt es nicht schwer, sich die geheimnisvollen Opferrituale vorzustellen, die die Priester hier vollzogen haben. Ein magischer Ort, ein unvergessliches Erlebnis, absolut empfehlenswert.
Wir haben den Tempel als Landgang bei einer Mittelmeerkreuzfahrt erlebt. Warum wir große Fans von Kreuzfahrten sind, und warum diese besonders für Familien ein spannendes Thema sein sollten, erklären wir euch hier: Warum Kreuzfahrten perfekt sind für Familien – unsere Erfahrungen.