Mitten im Harz liegt sie, die sagenumrankte Teufelsmauer. Eine erstaunliche hohe Felsenwand auf einem Bergkamm, mehrere Meter hoch und so schiefwinklig, dass man sich fragen muss, warum sie nicht bereits gleich mehrfach umgestürzt ist. In der Tat ist diese Teufelsmauer so seltsam anmutend, dass die Menschen, die in ihrem Schatten leben, sich seit jeher Geschichten und Mythen über die Felsformation erzählen.
Ein außergewöhnlicher Ort, der seinesgleichen sucht. Und für genau solche Orte habe ich eine Schwäche. Bei unserem Kurzurlaub im Harz konnten wir daher nicht anders: Wir mussten zu diesem sagenumwobenen Ort aufbrechen und der Sache bei der kurzen Wanderung auf den Grund gehen.

Beim Aufstieg zur Teufelsmauer im Harz geht es vorbei an seltsamen Baumwesen, die uns auf unserer Reise begleiten.
Als Gott und der Teufel eine Grenze zogen
Es gibt viele Sagen rund um die Teufelsmauer. Die Leute hier erzählen viele verschiedene Geschichten, die sich alle damit befassen, wie sich Gott und der Teufel die Welt aufteilen wollten. Den Erzählungen zufolge erbaute der Teufel eines Nachts diese Mauer, um sein Gebiet vom Land Gottes abzugrenzen. Er sollte den Harz erhalten, Gott die Gebiete auf der anderen Seite. Doch aus dem ein oder anderen Grund versagte der Teufel bei seiner Aufgabe, sodass die Teufelsmauer letztlich unvollendet blieb.
Für einen Geologen ist eine Felsformation wie die Teufelsmauer sicherlich ebenfalls recht interessant, wenn auch nichts wirklich Besonderes. Im Prinzip handelt es sich hierbei nur um besonders harten Sandstein. Durch die Bewegungen der Erde und die Aufschichtung des Harz wurde die Sandsteinschicht in die Senkrechte gefaltet. Regen und Wind taten ihr übriges, und zurück blieben eben nur die ausdauerndsten und härtesten Steine.
Das klingt alles recht nüchtern und wenig fantasievoll. Ich frage mich, was sich wohl Goethe gedacht haben mag, als er für geologische Studien so wie wir die Anhöhe bei Weddersleben bestieg, um der Sache auf den Grund zu gehen. Sah er an diesem mystischen Ort den Kern der Sagen und Märchen dieser Region, oder wurde hier in ihm der Wissenschaftler aktiv, der genau wissen wollte, warum diese Laune der Natur mitten in der Landschaft stand?
Die Jahrtausende alte Faszination mit der Felsenmauer
Doch nicht nur Goethe ist von der Teufelsmauer angetan gewesen. Schon Tausende Jahre zuvor hatten Menschen hier gesiedelt, wohl angelockt vom natürlichen Schutz des Steines. Man fand Keramik und Faustkeile, vermutet Mauerreste früher Siedlungen unter versunkenen Böden. Nicht nur der Zahn der Zeit hat seitdem an der Teufelsmauer genagt; auch der Mensch hat seine Spuren hinterlassen, bis vor knapp einhundert Jahren die geologische Formation unter offiziellen Schutz gestellt wurde. Zum Glück.
Denn als wir nach unserem einhundert Meter hohen Aufstieg, vorbei an nackten Winterbäumen mit roten Beeren und seltsam geschnitzten Holzfiguren, ein Teilstück der Mauer entlang gehen, unterliegen auch wir ihrem mystischen Zauber. Die Höhe der Felsen, ihre aufgetürmten Gestalten trotz ihrer relativen geringen Dicke, wirken unirdisch und faszinierend.

Fast wirkt es so, als würden Abschnitte der Felsenmauer beim nächsten Wind umstürzen, doch die Steine haben schon mehrere Jahrtausende relativ unbeschadet überstanden. Auch Goethe wird ein ähnliches Bild vor Augen gehabt haben, als er die Teufelsmauer zu Studienzwecken besuchte.
Eine kurze Wanderung im winterlichen Harz
Wir gehen ein Stück weit die Mauer entlang. Hier oben auf dem Bergkamm hat man einen guten Blick über die Landschaft und die umliegenden Dörfer. Anders als beim Aufstieg vor wenigen Minuten jedoch sind wir hier oben vor den winterlichen Winden geschützt: die Teufelsmauer ist ein guter Windbrecher. Ab und an sind breite Fräsen in der Felsenwand, sodass wir die Landschaft dahinter sehen können. Hier haben eiszeitliche Gletscher, das Wetter und wahrscheinlich auch der Mensch Schneisen in den Stein geschlagen.
Der Weg führt parallel zur Mauer, doch an einer Stelle kommt man näher an die Steine heran, darf sich einmal ganz klein fühlen. Mit ein bisschen Fantasie kann man Gestalten in den Felsen ausmachen. Zum Beispiel sehen wir einen sitzenden Löwen mit stolz geschwellter Brust, der weit übers Land blickt.
Wir gehen nur ein kurzes Stück dieser 20 Kilometer langen Felsenmauer, doch es ist wahrscheinlich der markanteste Abschnitt mit den größten Felsen auf der höchsten Erhebung in der Landschaft. Bevor es wieder hinabgeht, können wir mit den Augen den Verlauf des Weges sehen. Daneben die Mauer. Ein wenig zerbröckelter, aber immer noch gut in der Landschaft erkennbar. Fast so wie die Chinesische Mauer, denken wir.

Wie es oft so ist, versucht der Mensch etwas in die Gesteinsformationen hineinzuinterpretieren. Viele Felsen haben offizielle Namen. Dieser hier direkt neben dem Aussichtspunkt bei Weddersleben sieht zumindest für uns so aus wie ein stolzer Löwe.
Am Ende ist der Ort das, was man daraus macht
Doch im Gegensatz zur Chinesischen Mauer wurden diese Steine nicht von Menschenhand aufgeschichtet. Sie sind das Ergebnis komplizierter geologische Prozesse, die sich über Jahrmillionen hingezogen haben. Doch wie langweilig, so zu denken!
Wir halten uns da lieber an die Mythen und Sagen der Teufelsmauer. Vom ewigen Streit um Gut und Böse und das Seelenheil der Menschen, manifestiert in ewigem Stein. Das ist die Geschichte, die wir glauben wollen und die uns den Besuch der Teufelsmauer versüßt.
Was man wissen sollte: Die Teufelsmauer ist ein lohnenswertes Ausflugsziel im Harz, das man selbst mit Kindern sehr gut erkunden kann. Wir haben auf dem Parkplatz Nahe der Bodebrücke an der Straße zwischen Neinstedt und Weddersleben geparkt und sind den Teufelsmauer-Stieg hinaufgegangen. Der Aufstieg erfolgt über eine recht gut ausgebaute Treppe und dauert vielleicht fünfzehn Minuten. Eine Wanderung hierhin ist gut zu kombinieren mit dem Besuch der umliegenden historischen Städte wie Quedlinburg oder Goslar.

Die Teufelsmauer zieht sich noch viel weiter durchs Land, doch für uns ist an dieser Stelle Schluss. Der Sage nach hat der Teufel über Nacht die Mauer erbaut, um sein Land (den Harz) von dem Gebiet Gottes abzugrenzen.
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