(Anzeige) Jemand hatte eine kleine handgearbeitete Kachel an eine der Gartenmauern im Garten der Kylemore Abbey in Irland geklebt. Sie war in Erdtönen bemalt; darüber ein blauer Himmel. Mit Zweigen hatte man die Umrisse von Bäumen in den feuchten Ton gedrückt. Die Farben der Kachel spiegelten perfekt die lokale Landschaft von Connemara wider. Die Moore, die Berge, die Wälder. Ein Name stand oben über dem Bild, Violet Henry. Und darunter ein Geburtsjahr, „Born 1872“.
Im gesamten Garten von Kylemore Abbey fanden sich solche handbemalten Kacheln, jede von ihnen mit dem Namen eines Mitglieds der Henry-Familie. Dieser Familie hatte einmal das Anwesen gehört, die prachtvolle Kylemore Abbey und der ummauerte Garten aus viktorianischer Zeit. Einst, da war Kylemore Abbey einmal ein Liebesbeweis eines Mannes für seine Frau gewesen, ein geplantes Familiennest. Später wurde die Abbey ein Internat für junge Mädchen aus aller Welt, und heute ist es ein Kloster.
Auch wenn der Himmel am Tag unseres Besuchs zumindest am Anfang nicht so blau ist wie auf der Fliese, fasziniert uns doch, was wir sehen. Kylemore Abbey ist nämlich voller Geschichte, und was noch wichtiger ist, voller Geschichten. Und das macht es zu einem perfekten Ausflugsziel entlang des Wild Atlantic Way.

Kylemore Abbey war früher der herrschaftliche Landbesitz der Familie Henry. Heute befindet sich hier ein Kloster.
Ein Internat für Mädchen im alten Herrenhaus
Kylemore Abbey befindet sich in einer der schönsten Ecken von Connemara. Die Lage direkt am Lake Pollaacapull ist in der Tat malerisch: Der Erbauer Mitchell Henry hatte den Platz genau so gewählt, dass sich das Gebäude auf der glatten Oberfläche des Sees spiegeln konnte. Dahinter ragen die Berge auf wie eine dramatische Kulisse, umrahmen das alte Herrenhaus wie ein Gemälde.
Erbaut wurde das Haus von Mitchell Henry, einem reichen Industriellen aus Manchester, der hier für seine Frau ein Familiennest erbauen wollte. Dies war daher ihr Haus, nicht sein Haus. Das sieht man ganz deutlich anhand vieler kleiner Details innen und außen, den zierlichen Schnitzereien und verspielten Einzelheiten, den eleganten Formen. Zusammen hatten die beiden neun Kinder. Nur leider verstarb Margaret früh; ihre Jüngste war die kleine Violet, das Mädchen von der Kachel. Sie war damals erst zwei Jahre alt.
Nach einem zweifachen Besitzerwechsel wurde das Anwesen Anfang des 20. Jahrhunderts von Nonnen aus dem belgischen Ypres erstanden, die vor den Wirren des 1. Weltkriegs vom Kontinent geflohen waren. Sie zogen unter anderem ein Mädcheninternat auf, das bis 2010 im Betrieb war.
Bei einer Besichtigung des schlossartigen Hauses erleben wir die zwei Seiten dieser bewegten Geschichte: Die repräsentativen Räumlichkeiten auf der einen Seite sowie die Geschichten unserer Führerin, die früher einmal selbst einmal Schülerin an dieser Schule gewesen war.

Die hübsche Kirche von Kylemore Abbey wird auch heute noch von den Nonnen des Klosters genutzt. Im Kirchhof befinden sich viele schlichte Grabsteine: die letzten Ruhestätten der Nonnen. Bewegend: ein Mädchengrab befindet sich auch darunter.
Der Wald der Riesen und der See mit dem Weißen Pferd
Nach unserem Besuch des Herrenhauses machen wir uns auf zu einem Erkundungstag in die benachbarten Wälder. Wir hatten nämlich gehört, dass es hier eine hübsche kleine Kirche gibt und ein Mausoleum, aber auch Riesen und mythische Gestalten. Das ist natürlich mal wieder ganz typisch für Irland: Wirklichkeit und Fantasie liegen in diesem Land der Elfen immer nah beieinander und vermischen sich zu einem farbenfrohen Potpourri aus Geschichten und Geschichte.
Im verzauberten Wald bestaunen wir riesige Bäume, über und über von Moos bewachsen. Wir überqueren rauschende Ströme und lauschen dem immer währenden Murmeln des Wassers, das in Bächen die Berghänge herunter rollt. Wir suchen nach rot glühenden Fuchsien, kicheren über prächtige Pilze mit riesigen Köpfen. Ganz hinten am Horizont können wir sogar in der Felswand in Stein gebannte Riesen ausmachen.
Am Ironing Stone stecken große Holzfinger aus der Erde mit Kieselsteinchen auf den Fingerspitzen. Für Generationen haben die Schulmädchen von Kylemore Abbey hier ihre Wünsche geäußert. Man stellt sich dabei in die überdimensionierte Holzhand, dreht den Rücken zum dreieckigen Ironing Stone, wünscht sie etwas und wirft dann den Kiesel über die Schulter. Dieses Prozedere muss dreimal wiederholt werden.
Nach einem Besuch der neugotischen Kirche und des Mausoleums, wo die viel zu jung verstorbene Margaret Henry zur Ruhe gebettet worden ist, kehren wir am Ufer der Sees entlang wieder zum Herrenhaus zurück. Die Legende sagt vom Lake Pollaacapull, dass alle sieben Jahre ein weißes Pferd die Oberfläche aufwühlt und aus den Wogen steigen solle. 2011 war es das letzte Mal gewesen, dass die Bewohner von Kylemore Abbey dieses Phänomen beobachtet hatten, vielleicht würde das Pferd also 2018 wieder zurückkehren.

Im Zauberwald von Kylemore Abbey sehen wir prachtvolle Pilze, hören das ewige Rauschen von Wasser und duften das sanfte Grün des Mooses.
Der Geheime Garten von Kylemore Abbey
Der ummauerte Garten des Anwesens war lange Zeit in Vergessenheit geraten, doch die Nonnen haben in den letzten zwei Jahrzehnten ganze Arbeit geleistet, und so erstrahlen die viktorianischen Blumenbeete in neuer Pracht. Auch die abgebrochenen Fundamente der zahlreichen Glashäuser bieten einen gewissen Charme und viele reizende Perspektiven.
Die Familie Henry nutzte den Garten nicht nur zum Verweilen und Spazierengehen. Die roten Backsteinmauern sorgen damals wie heute für Wärme und Schutz vor kühlen Winden und freilaufenden Schafen. Sie zogen hier Gemüse und tropisches Obst – das Anwesen ist ja recht abgelegen und musste sich damals selbst versorgen. Auch heute sieht man wieder zahlreiche Früchte, Gemüse, Kräuter und Beeren auf dem Gelände – ein toller Anschauungsunterricht in Botanik.
Vom Garten kehren wir zurück zum Herrenhaus und dem Parkplatz. Da der Shuttlebus auf sich warten lässt, laufen wir kurzerhand das kurze Stück zu Fuß und entdecken dabei riesige Pilze, Koboldhäuser und Klangbretter mit Röhren, die man wie ein Xylophon schlagen kann.

Der ummauerte Garten von Kylemore Abbey ist ein tolles Beispiel für viktorianische Gartenkunst. Die Mauern bieten dabei Schutz vor gefräßigen Schafen und kühlen Winden.
Kylemore Abbey am Wild Atlantic Way selbst erkunden
Ich habe Kylemore Abbey in Verbindung mit einer Pressereise mit Fáilte Ireland besucht. Doch natürlich ist das auch für jeden anderen ohne weiteres möglich.
Insgesamt ist das Anwesen ein tolles Ausflugsziel, besonders bei schönem Wetter, wenn man die weitläufigen Anlagen erkunden kann. Das Café am Parkplatz und auch das Tea House bieten leichte Mahlzeiten in herrlicher Umgebung. Kinder unter 10 Jahren besuchen das Anwesen übrigens kostenlos. Mehr Infos auf der offiziellen Seite von Kylemore Abbey and Victorian Walled Garden.
Und weitere Fotos am Ende dieses Posts!
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5 Kommentare
Das sieht traumhaft aus! Schade dass das Anwesen kein Internat mehr ist, stelle ich mir super schön vor dort zu Schule zu gehen 🙂
Lieben Gruß
Hallo Franzi, Sicherlich auch ein wenig einsam, aber man hat uns gesagt, dass die Schule so gefragt war, dass sogar Mädchen aus Mexiko und Indien hierhin geschickt wurden. Wir fanden es auf jeden Fall faszinierend.
Stimmt da hast du Recht! Aber wenig Ablenkung ist ja manchmal nicht das Schlechteste 😀 ( Ich bin ein Kleinstadtmädchen dass auch zum Studieren in ein Kaff gezogen ist, nur halt woanders :D)
Warum wurde die denn geschlossen?
Zeichen der Zeit, leider. Zum einen gibt es nicht mehr so viele Nonnen dort (ich glaube, momentan sind es nur 9), zum anderen schicken reiche Familien heute ihre Mädchen nicht mehr auf abgelegene Internate. Aber die Nonnen arbeiten jetzt mit anderen Schulen zusammen, unter andren mit einem amerikanischen College. Es gibt also immer noch Lehre in Kylemore Abbey, nur anders.
Vielen Dank für die Infos 🙂 Super interessant & hab ich wieder was gelernt 🙂