Ich bin ja ein großer Fan von geschichtsträchtigen Orten, man könnte schon fast sagen, ich bin ein kleiner History Nerd. Deshalb war ich so begeistert, als ich bei einer Reise nach Kassel beinah zufällig auf das recht unbekannte Schlösschen Wilhelmsthal stieß.
Denn ich liebe es, alte Gebäude zu besuchen und mir vorzustellen, wie das Leben dort damals wohl stattgefunden hat. Leider ist das aber nur an ganz wenigen Orten möglich, denn oftmals sind die Dinge, die das Alltägliche ausmachen, im Laufe der Zeit verloren gegangen. Das weltbekannte Schloss Wilhelmshöhe in Kassel ist da ein gutes Beispiel. Eine Fliegerbombe zerstörte beinah alle Bereiche des prächtigen Schlosses. Trotzdem lohnt auch hier ein Besuch.
Dies ist die Geschichte, wie wir in Kassel zuerst den herrlichen Bergpark besuchten – selbst so früh im Jahr schon bezaubernd – um dann über den Umweg Schloss Wilhelmshöhe auf das völlig unterschätzte Schlösschen Wilhelmsthal kamen.
Inhalt
- 1 Eines der besterhaltenen Rokoko-Schlösser in Deutschland
- 2 Bergpark Wilhelmshöhe: Historische Wasserspiele und romantische Parkanlagen
- 3 Grotten, Ruinen und die Teufelsbrücke
- 4 Der Weißensteinflügel im Schloss Wilhelmshöhe: Kostbare Antiquitäten in angemessenem Ambiente
- 5 Feinster Rokoko-Glanz im Schloss Wilhelmsthal
- 6 Die Welt der Diener und die Welt der Obrigkeit
- 7 Eine Zeitreise in eine andere Welt
Eines der besterhaltenen Rokoko-Schlösser in Deutschland
Wir besuchten Kassel als Teil meines Geburtstagsgeschenks. Eine Woche Urlaub mal ohne die Kinder. Ja, man gönnt sich ja sonst nichts. Das heißt aber nicht, dass man diesen Tag nicht auch mit Kindern toll verleben könnte.
Ich hatte schon viel von Kassel gehört, interessanterweise eher von meinen ausländischen Freunden, die Deutschland als Teil einer Europareise besucht hatten. Ich war neugierig – besonders, da der Bergpark Wilhelmshöhe auf der Liste der Unesco Weltkulturerbestätten geführt wird. Da war das Schloss am Fuße des Berges trotz all seiner Pracht beinahe Nebensache. Trotzdem buchten wir uns für eine Führung ein, denn wir wollten den historischen Weißensteinflügel von innen sehen.
Spontan ging es dann im Anschluss weiter in den kleinen Ort Calden, wo wir ein weiteres Schloss besuchten, Schloss Wilhelmsthal. Eine Sommerresidenz, weitaus kleiner als der berühmte Cousin in Kassel, aber erstaunlicherweise weitaus interessanter. Wie das alles so kam, erzählen wir also hier.
Bergpark Wilhelmshöhe: Historische Wasserspiele und romantische Parkanlagen
Es war Ende März, als wir nach Kassel aufbrachen. Der Himmel war bedeckt und es nieselte leicht. Sicherlich nicht der beste Zeitpunkt im Jahr, um einen solch spannenden Park wie den Bergpark Wilhelmshöhe zu besichtigen. Denn berühmt ist dieser Park im Besonderen dank seiner Wasserspiele, die leider erst im Mai in Gang gesetzt werden.
Das hydraulische System dahinter ist noch original. Oben auf dem Berg wird eine große Menge Wasser festgehalten und dann in einem Rutsch den Berg hinunter gedrückt. Das füttert die zahlreichen Kanäle, Wasserfälle und vor allem die Fontänen. Besonders letztere haben wir bei unserem Spaziergang vermisst, doch das heißt nicht, dass sich ein Besuch des Bergparks nicht auch außerhalb der Saison lohnt.
Der Bergpark Wilhelmshöhe hat viele kleine Sehenswürdigkeiten und Abenteuer zu bieten. Ganz oben befindet sich natürlich der Herkules, schon von Weitem sichtbar und das Wahrzeichen der Stadt Kassel. Es gibt auch die Löwenburg da oben, doch die wird momentan umfangreich restauriert. Kanäle und Aquädukte leiten das Wasser von hier nach unten. Es strömt und rauscht in Kaskaden und ergießt sich in den hübschen Fontänenteich.

Die Teufelsbrücke zählt zu meinen Lieblingsorten im Bergpark Wilhelmshöhe. Selbst im Frühling, ohne den Wasserfall, ist der Anblick bezaubernd.
Grotten, Ruinen und die Teufelsbrücke
Bevor unsere Rundführung durch den Weißensteinflügel losgehen konnte, kuschelten wir uns unterm Regenschirm aneinander und erkundeten den Park. Ich wollte vor allem die Teufelsbrücke sehen, eine hübsche Fußgängerbrücke aus Eisen, die sich über einen künstlichen Wasserfall spannt. An diesem Tag floss zwar kein Wasser unter der Brücke, doch hübsch sah sie auch so aus.
Auch das Aquädukt wirkte romantisch-verzaubert. Es war gebaut wie die Reste einer Burgruine, wie man sie auch manchmal in englischen Landschaftsgärten sieht. Moos hatte die Steine überwuchert, so dass das Gebilde mit der Natur beinah zu verschmelzen schien. Im Sommer war der Anblick sicherlich auch hübsch, aber in seiner kühlen Ruhe hatte der Ort beinah etwas Magisches an sich.
Unten angekommen, blieben wir noch ein wenig am Fontänenteich stehen und beobachten die leuchtend bunten Mandarinenten, die auf der ungestörten Wasseroberfläche balzten. Der Apollotempel spiegelte sich beinah perfekt auf dem Wasser. Eine Schulklasse erkundete freudig juchzend die kreisrunde Terrasse um das Gebäude.

Der Weißensteinflügel im Schloss Wilhelmshöhe ist der einzige historische Teil des Gebäudes. Der restliche Teil wird von einer weltberühmten Kunstausstellung ausgefüllt.
Der Weißensteinflügel im Schloss Wilhelmshöhe: Kostbare Antiquitäten in angemessenem Ambiente
Es war Zeit für unsere Führung durch den historischen Weißensteinflügel. Die Runde war klein und intim, denn wir waren ja noch in der Nebensaison. Man riet uns, unsere Winterjacken anzubehalten, denn im Schloss sei es kalt. Wir leisteten überrascht den Anweisungen folge, stellten dann aber auch bald fest, dass wir ohne Jacken sicherlich gefroren hätten. Der Flügel war ungeheizt – perfekt für die Innenausstattung, weniger angenehm für Menschen.
Der Weißensteinflügel war der einzige Teil des Schlosses Wilhelmshöhe, der nicht der Fliegerbombe im 2. Weltkrieg zum Opfer gefallen war. Die Räumlichkeiten, die man heute zu sehen bekommt, sind die königlichen Apartments, wie sie sich in etwa im frühen 19. Jahrhundert darstellten. Denn dies war das Sommerhaus der Fürstenfamilie, wenn auch ein ziemlich großes.

Das Badezimmer im Weißensteinflügel zählt zu den bekanntesten Räumen des Hauses. Leider wurde die Badewanne nie in Betrieb genommen.
Dies bedeutete aber nicht, dass hier alles originalgetreu war. Vielmehr waren die historischen Räumlichkeiten der Rahmen, in dem wertvolle Gemälde und Antiquitäten aus der Zeit präsentiert wurden. Auch konnte man an einigen Stellen sehen, welch unterschiedliche Farbschichten sich unter dem Anstrich der Räume verbarg. Neben dem Badezimmer mit der ungenutzten, in den Boden eingelassenen Wanne sahen wir auch den Thronsaal (der als solches nie genutzt wurde) und den gedeckten Tisch im Bankettsaal.
Der Führer erklärte uns, dass der Weißensteinflügel zwar viele wertvolle Antiquitäten und interessante Einblicke in die Welt um 1800 bot, dass es sich hierbei aber kaum um einen authentischen Moment handelte. Wenn wir wirklich sehen wollten, wie man damals als reiche Person lebte, sollte man zum nicht weit entfernten Schloss Wilhelmsthal fahren. Wir schauten uns nur kurz an und wussten sofort, dass das unsere nächste Station sein würde.
Feinster Rokoko-Glanz im Schloss Wilhelmsthal
Nach wenigen Minuten Autofahrt erreichten wir das kleine Schlösschen Wilhelmsthal in Calden. Es lag im Ländlichen, umgeben von Feldern und Bächen, vorzeitlichen Erdhügelgräbern und Bauernhöfen. Ein abgeschiedener Ort, so völlig anders zum prächtigen Umfeld des Schlosses in Kassel. Kaum zu glauben, dass sich in diesem eher unscheinbaren Haus mitten im Grünen eines der schönsten Rokoko-Ensembles Deutschland verbergen sollte.
Schloss Wilhelmsthal war als ein „schlichtes“ Sommerhaus geplant worden, zu dem sich die Fürstenfamilie während der heißen Sommermonate zurückziehen konnte. Ab und an waren auch Gäste zugegen, enge Vertraute, die mit der Familie auf – naja, sagen wir mal – engstem Raum leben durften.
Hinter dem Eingangsbereich mit den üblichen Gemälden von alten Verwandten fanden wir die Schönheitengalerie. Ein Raum voller Damenporträts, eine schöner als die andere. Dies waren die Freundinnen der Familie und Favoritinnen des Hofes. Nur eingeladene Gäste durften diesen Raum betreten und sich mit den Schönheiten vertraut machen.
Wir wurden nach links und nach rechts geführt, durch prachtvolle Wohnräume mit feinem Stuck und handfertig bearbeiteten Holzvertäfelungen und Ornamenten. Wir sahen viel Gold und feine Tapeten, teure Lackmöbel aus Asien, unbezahlbare und äußerst teure Antiquitäten wie die berühmte Pfauenkommode.

Diese Wandpaneele wurde mit einem dreidimensionalen Vogelkäfig besetzt. Der Käfig ist aus einem Stück Holz geschnitzt und zeigt den Vogel mit großem Detail. MHK. Foto: U. Brunzel
Die Welt der Diener und die Welt der Obrigkeit
Sehr einfach zu erkennen waren im Schloss Wilhelmsthal die unterschiedlichen Bereiche, in die ein Haus eines solchen Kalibers aufgeteilt war. Das ist es ja letztendlich auch, warum wir uns spontan für den Besuch entschieden hatten. Denn auf der einen Seite waren da die großen, teuren und repräsentativen Wohnräume der Herrschaften. Und dann waren da aber auch die Versorgungsgänge, Dienstbotenkammern und Geheimtüren der Dienerschaft.
Deutlich zu sehen waren Räume, die selbst Gäste nicht zu Gesicht bekamen, wie die Ankleidekammer der Herren. Das Vorzimmer mit der eingezogenen Decke, in die man kriechen und schlafen konnte. Der kleine Herd zum Aufkochen von Kakao für die Herrin, das ausklappbaren Kastenbett der Dienerin, die selbst nachts zur Verfügung stehen musste.
Am Ende unserer Führung besuchten wir auch noch die große Schlossküche in einem der Seitenflügel mit ihren Backeisen, Rostspieß und dem riesigen Herd im Zentrum.

Im Kabinett des Landgrafen findet sich die unbezahlbare Pfauenkommode mit eingelassenem Perlmutt. MHK. Foto: A. Hensmann
Eine Zeitreise in eine andere Welt
Unser Besuch in Kassel war ein voller Erfolg. Wir begannen den Tag ganz unscheinbar und wurden vom feuchtkalten Bergpark Wilhelmshöhe verzaubert. Im Weißensteinflügel lernten wir viel über das Leben der kurfürstlichen Familie und die Eliten dieser Zeit. Im Schloss Wilhelmsthal dann konnten wir eindrucksvoll erleben, wie die Reichen zur Zeit Napoleons tatsächlich lebten.
Für weitere Infos können wir euch die offizielle Webseite der Museumlandschaft Kassel empfehlen. Beide Schlösser kann man nur mit Führung besichtigen, aber wir finden, dass es sich auf jeden Fall lohnt. Führungen finden stündlich zur vollen Stunde statt. Fotos in den Räumlichkeiten beider Schlösser wurden freundlicherweise von Kassel Marketing zur Verfügung gestellt.
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Titelbild: Die Schönheitengalerie im Schloss Wilhelmsthal zählt zu den schönsten Beispielen des deutschen Rokoko. MHK. Foto: A. Hensmann