Das kleine Örtchen Sintra ist zwar nur eine kurze Zugfahrt von Lissabon entfernt, aber eine Fahrt hierhin ist wie das Eintauchen in eine völlig andere Welt. Denn Sintra ist für Lissabon das, was Potsdam für Berlin ist. Eine Sommerresidenz der portugiesischen Könige, ewiger Lustgarten und Ort für das Ausleben bizarrer Dekadenz. Dieser Artikel erklärt, wie man von Lissabon mit dem Zug nach Sintra kommt, gibt Tipps, was man vor Ort alles sehen kann und erzählt ein wenig, warum es uns dort so unglaublich gut gefallen hat.
Sintra ist malerisch gelegen: In den bewaldeten Hügeln westlich der Hauptstadt haben sich die Reichen ihrer Zeit im heutigen Nationalpark Sintra ihre Wohnsitze und Feriendomizile erbaut. Auf jeder Kuppe steht ein anderes fantastisches Objekt; am bekanntesten ist das Schloss Quinta da Regaleira. Denn man wollte sich dort aufhalten, wo sich auch das Königshaus befand, in den näheren Umgebung des Palácio Nacional de Pena.
Inhalt
- 1 Sintra Tipps auf einen Blick: Anfahrt und der Besuch der Paläste
- 2 Sintra: Eine Stadt im Märchenwald
- 3 Palácio Nacional de Pena
- 4 Das Vorbild für Schloss Neuschwanstein
- 5 Irgendwo zwischen Ästhetik und Dekadenz
- 6 Quinta da Regaleira
- 7 Willkommen in der Märchenwelt
- 8 Die totale Verwirrung
- 9 Ausblick auf Sintras Maurenburg
- 10 Ein mystischer Ort für all jene, die gern spielen
Sintra Tipps auf einen Blick: Anfahrt und der Besuch der Paläste
Sintra und die Schlösser sind nur eine kurze Zugfahrt von Lissabon entfernt, was es zu einem beliebten Ausflugsziel für Städtereisende macht. Die Anfahrt war spielend leicht und super günstig: Wir bezahlten für den Zug vom Bahnhof Rossio aus nur EUR 4,40 für Erwachsene, EUR 2,20 für Kinder (hin und zurück). Die Anreise mit Zug ist in jedem Fall zu empfehlen, denn die Parkplatzsuche in dem kleinen Ort erweist sich als schwierig bis unmöglich. Und dabei ist man ja noch nicht einmal bei den eigentlichen Sehenswürdigkeiten im Nationalpark angekommen.
Vom Bahnhof in Sintra aus stiegen wir sofort um in den Bus 434, der mehrmals stündlich in einer Schleife alle wichtigen Anwesen einmal anpeilt. Die Tickets hierfür waren ein wenig happig, denn es gibt keine Kinderermäßigung. Für alle Personen zahlt man daher pro Rundfahrticket EUR 5,00, für eine vierköpfige Familie macht das also EUR 20,00.
Alternativ kann man natürlich auch ein Taxi nehmen – wir fuhren von unserem letzten Punkt Quinta da Regaleira mit einem Cabrio zurück zum Bahnhof, Kosten hierfür (vorher ausgehandelt) EUR 20,00.
Da die Paläste und Anwesen im Nationalpark verstreut auf einzelnen Hügeln liegen und die Straße keine Gehwege hat, ist es nicht zu empfehlen, Sintra mit Kindern zu Fuß zu erkunden. Die Kosten für Taxi oder Bus müssen also für diesen Tagesausflug unbedingt mit einkalkuliert werden.
Sintra: Eine Stadt im Märchenwald
Unser Besuch in Sintra fühlte sich tatsächlich an wie ein Märchentraum voll dunkler und mysteriöser Wälder und sprudelnder Bäche. Wir kommen früh an, und der Morgennebel lastet noch schwer in den Tälern dieser Region, zaubert kleine Tröpfchen auf die Spitzen von Moosen und Farnen. Die ganze Szenerie wirkt wie ein Wald aus den Geschichten der Gebrüder Grimm: verzaubert und still, würzig duftend und erfrischend.
Dieses erste Erlebnis mit Sintra ist für uns überraschend. Wir hatten Portugal bislang anders kennen gelernt: wärmer, trockener und sonniger.
Der Bus hält vor den Toren des Nationalpalasts von Pena, unserer ersten Station für den Tag. Der Palast ist die ehemalige Sommerresidenz der portugiesischen Könige, ein Refugium in den heißen Sommermonaten, wenn Lissabon in der Hitze zu ersticken scheint.
Vom Eingangstor aus müssen wir den Berg weiter erklimmen, wir ersparen uns dabei die Extrakosten und die Warterei auf den Shuttlebus, und erleben so den immergrünen Wald hautnah in all seiner Pracht. So früh am Morgen ist es noch herrlich kühl, und wir genießen die frische Bergluft, die uns in diesen Wäldern willkommen heißt.
Palácio Nacional de Pena
Endlich kommt der Palast ins Blickfeld. Ein farbenfrohes Bauwerk mit einem gelben Rundturm, einer violett gekachelten Fassade, blauen Fundamenten und einem roten viereckigen Turm. Sogar an diesem Tag, als der Himmel sich trotzig in einem bedrohlichen Grau verschleiert, wirken die Farben auf uns ein. Das Palast von Pena erscheint uns fröhlich und farbenprächtig.
Die verschiedenen Baustile, die dieses Schloss in sich vereint, die Oberflächen und Details, verleihen diesem Gebäude eine erstaunliche Verspieltheit, beinahe so wie ein Spielzeugschloss. Dieser Baustil wird Romantizismus genannt. Eine fantasievolle Zusammenstellung verschiedener architektonischer Stile, jeder einzelne imposanter als das nächster. Wenn man genau hinschaut, erkennt man neobarocke Verzierungen, Torbögen im Mudejar-Stil, gotische Spitzbögen, neoklassizistische Elemente.
Das Vorbild für Schloss Neuschwanstein
Wenn euch diese Verspieltheit irgendwie bekannt vorkommt, dann liegt das daran, dass sich der Bauherr von Schloss Neuschwanstein diesen Palast zum Vorbild genommen hat.
Während wir uns also von unserem Aufstieg erholen und ein wenig im Burgvorhof Atem schöpfen, überlegen wir, ob dieser Romantizismus eigentlich noch schön ist. Sicher, da werden wirklich attraktive Elemente irgendwie zusammengebracht mit dem Ziel, etwas noch Schöneres zu erreichen. Aber ist dies nicht eine Überhöhung zum Selbstzweck, die eigentlich genau das Gegenteil bewirkt? Wirkt dieses Zusammenwerfen von Baustilen nicht eigentlich einfach nur dekadent?
So ganz können wir uns da nicht entscheiden. Dieser wilde Mix aus Elementen wirkt frustrierend. Doch je näher wir letztlich dem Palast kommen, desto mehr Details fallen uns auf. Wir entdecken immer wieder Überraschungen dank der verschiedenen Perspektiven. Die Kinder jedenfalls finden so ein verrücktes Bauwerk, das sich nicht um Konventionen schert, nicht nur interessant, sondern einfach nur Klasse.
Irgendwo zwischen Ästhetik und Dekadenz
Und Details gibt es viele: Ein mythologischer Triton, der sich aus einer großen Muschel erhebt, einen Baum auf seinem Nacken stemmend, der eine Allegorie auf die Erschaffung der Welt darstellt. Die Wasserspeier an den Außenmauern, die wie Krokodile oder Dinosaurier geformt sind. Die verdrehten Säulen und Steinseile, die die Fassaden zieren. Die vielen Details, die ihr Vorbild in der Natur finden: Blüten, Zweige, Blätter.
Innen dann spazieren wir durch die Räume des Palastes, die noch genauso aussehen wie im 19. Jahrhundert. Wir lachen über das frühe Telefon, das größer ist als ein Kühlschrank. Wir erfreuen uns an den reich verzierten Wänden und Decken im maurischen Stil. Wir staunen über die 3D-Effekte, die die Künstler mit ihren Malereien auf den Gewölbedecken erschaffen haben.
Ein üppig ausgestattet Feriendomizil voller kleiner Details und mit dem Wunsch zu gefallen. Voller Fantasie und doch ein wenig überladen.
Doch es ist der Ausblick von hier, von den zahlreichen Terrassen und aus den luftigen Fenstern, der uns wirklich umhaut. Zusammen mit den Kindern genießen wir den Blick auf die dichten Wälder, von denen sich langsam der Morgennebel hebt. Um uns herum, so stellen wir fest, gibt es eine Welt des satten Grüns, beschwichtigend und herrlich normal. Wie ein Meer aus Klarheit und Logik, das dafür sorgt, dass von dem fantastischen Überschwang des Palacios nichts nach außen schwappt.
Quinta da Regaleira
Rund um Sintra und auch in Sintra selbst gibt es eine ganze Handvoll solcher Sommerhäuser und fürstlicher Anwesen. Letztlich entscheiden wir uns jedoch für das Anwesen Quinta da Regaleira. Und das aus gutem Grund und mit den Kindern im Hinterkopf: Wir wollen mit ihnen zusammen den riesigen Garten der Millionärsvilla erkunden.
Denn der Park ist wie ein Wunderland aus kleinen Schätzen, die es zu entdecken gilt. Überall im Garten verstreut finden sich kleine Symbole, die auf die mystische Welt der Freimaurer, Alchemisten und Tempelritter hindeutet.
Ein exzentrischer Garden Eden, perfekt für die Erkundung mit Kindern, die diese Art von Überraschungen und Entdeckungen lieben. Im Garten der Quinta da Regaleira weiß man nämlich nie, was sich hinter der nächsten Kurve oder hinter dem nächsten Hügel verbirgt.
Willkommen in der Märchenwelt
Auf unserem Weg durch den Park mit den Mini Globetrottern kommen wir vorbei an Brunnen und reich verzierten Steinbänken. Da gibt es Türme in allen möglichen Formen und Größen mit geschwungenen Außentreppen und fantastischen Ausguckslöchern. Aussichtstürme und Grotten, versteckte Eingänge und zahlreiche Tunnel, die alle irgendwie miteinander verbunden sind.
Je weiter wir in den Garten hineingehen, desto mehr lassen wir die Formalitäten eines geplanten Gartens hinter uns. Die Bäume werden immer älter und dichter, ihr Laub schließt sich über unseren Köpfen zu einem dichten Vorhang. Es wird dunkler unter diesen Urwaldriesen, die Luft frischer, die Düfte würziger.
Die totale Verwirrung
Wir tauchen ein in eine verwirrende und verwinkelte Welt aus Tunneln und Brucken, Höhlen und Grotten. Auf flachen Steinen überqueren wir einen verzauberten kleinen See, der von einer dichten Matte aus Wasserlinsen erstickt wird. Ein Tunnelausgang führt uns auf die Rückseite eines Wasserfalls, ein anderer auf den tiefen Boden eines geheimnisvollen Brunnens.
Dieser Brunnen ist wie ein tief in den Boden getriebener Zylinder, der von einer Wendeltreppe umgeben ist. Wie ein umgedrehter Turm, der sich tief in die Erde bohrt. Ein so genannter Initiationsbrunnen, in dem der Hausherr mythische Riten vollzogen haben soll. Wir folgen der Treppe nach oben, verlassen den Turm aber auf halber Höhe, indem wir in einen der zahlreichen Tunnel abbiegen.
Es sind fantastische Dinge, die wir da auf dem Anwesen finden, gebaut für die Unterhaltung von Erwachsenen. Wir können es uns lebhaft vorstellen, wie die Hausgäste an heißen Sommerabenden die mit Kerzenlicht beleuchteten Hallen des Herrenhauses verließen, Laternen in der Hand, um in den Tiefen des Waldes zu verschwinden.
Ausblick auf Sintras Maurenburg
Nach der ganzen Spielerei machen wir uns auf den Rückweg zum Herrenhaus. Jetzt, da die Wolken sich verzogen haben, erstrahlt es prachtvoll unter der portugiesischen Sonne. Ganz so wie der Palacio de Pena ist auch dieser Prachtbau Dekadenz in seiner pursten Form. Ein ausgeklügeltes Spiel mit architektonischen Elementen wie Türmchen, Verzierungen, Wasserspeiern, Kapitellen.
Doch insgesamt finden wir, dass Quinta da Regaleira weniger durcheinander wirkt als der Palast der Könige, harmonischer und besser komponiert. Innen finden wir viele verschlossene Räume vor, doch die wenigen, die geöffnet sind, zeigen hübsche Einzelheiten wie Mosaike, Löwenkopf-Türklopfer und handgeschnitzte Holzdecken. Durch eines der Fenster können wir einen Blick auf die historische Maurenburg erhaschen. Auch wenn sie echt ist, wirkt sie beinahe unwirklich. So wie sie dahin drapiert ist, erinnert sie uns eine große Schlange, die auf der Bergkuppel schläft.
Ein mystischer Ort für all jene, die gern spielen
Sintra ist ein wundersamer Ort. Ein Ort voller Mystik und erstaunlicher Überraschungen. Es waren Männer, die ihr Vermögen in Südamerika gemacht haben, die diesen Ort zu dem gemacht haben, was er heute ist. Sie brachten mit sich nicht nur jede Menge Geld, sondern auch zahllose Ideen und viel Fantasie. Diese Welt heute mit den Kindern zu erkunden ist ein wahres Geschenk.
Unserer Meinung nach ist Sintra nicht ein Ort, an dem der Verstand abgeschaltet wurde. Vielmehr ist Sintra ein Ort, wo selbst Erwachsene wieder eingeladen werden zu spielen. Wo Grenzen überwunden und Regeln gebrochen werden.
Warum? Na, weil es Spaß macht.
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2 Kommentare
Hi ihr Reisenden! Der Bericht ist ja toll! Wir waren vor 1,5 Jahren zum ersten Mal in Portugal, genauer gesagt ein langes Wochenende mit unserem damals 2,5 jährigen Sohn. Hat uns so toll gefallen, dass wir auf jeden Fall wieder hinfahren. Eure Tipps werden wir uns merken, vielen Dank dafür. Vielleicht habt ihr ja auch mal Lust unsere Bericht zu Lissabon zu lesen 🙂 http://www.karl-reist.de/lissabon-sehenswuerdigkeiten-erster-tag/ Liebe Grüße Nina
Hallo Nina, Vielen Dank für deinen Kommentar. Da schauen wir doch gleich mal vorbei! LG, Silke