Nach vielen kleineren Radreisen in Europa hatten wir für 2014 ein richtig großes Abenteuer geplant: eine Fahrradtour durch Großbritannien. Sieben Monate hatten wir veranschlagt, und es sollten am Ende tatsächlich 8.400 km Strecke per Fahrrad durch England, Wales, Irland, Nordirland und Schottland werden.
Wie organisiert man eine solche Fahrradtour? Welche Ausrüstung braucht man? Und wie ist es uns persönlich auf den Inseln ergangen?
Ein Leitfaden von den Machern des Blogs Fahrrad Abenteuer Reisen für die Planung einer solcher Fahrradreise sowie die Erlebnisse und Abenteuer von Annett und Raimund auf ihrer spannenden Fahrradtour durch Großbritannien.
Gastartikel: Annett und Raimund leben in NRW und unternehmen seit 1989 Radreisen mit Gepäck. Auch ihren Nachwuchs hatten sie über viele Jahre auf diesen Reisen dabei, erst im Fahrrad-Anhänger und später per Kinderfahrrad.
Seit 2015 sind sie auf einer Radreise über mehrere Kontinente. Hier führte ihr Weg von Deutschland über Balkan, Kaukasus, Zentralasien, Indien und Nepal bis nach Südostasien, von dort über Australien und Neuseeland weiter nach Südamerika.
Auf ihrem Blog unter www.fahrrad-abenteuer-reisen.de berichten sie über ihre Abenteuer und Erlebnisse auf dieser Fahrradtour und geben viele Tipps zu den Themen Individualreisen, Fahrrad, Radreisen, Reiseziele und Sehenswürdigkeiten.
Ihre Videoclips veröffentlichen sie auf ihrem Youtube-Kanal und auf Twitter und Pinterest sind sie ebenfalls präsent.
Inhalt
- 1 Die Planung einer Langzeit-Fahrradtour
- 2 Die Planung unserer Fahrradtour durch Großbritannien
- 3 On the Road: Rundreise durch Großbritannien und Irland mit dem Fahrrad
- 4 Sehenswürdigkeiten in England mit dem Fahrrad entdecken
- 5 Sehenswürdigkeiten in Wales mit dem Fahrrad entdecken
- 6 Sehenswürdigkeiten in Irland mit dem Fahrrad entdecken
- 7 Sehenswürdigkeiten in Nordirland mit dem Fahrrad entdecken
- 8 Sehenswürdigkeiten in Schottland mit dem Fahrrad entdecken
- 9 Hürden und Abenteuer auf unserer Langzeit-Fahrradtour
- 10 Unser Fazit zur Fahrradtour durch Großbritannien
Die Planung einer Langzeit-Fahrradtour
Fahrradtouren mit Gepäck sind eine ganz besondere Art des Reisens. Insbesondere, wenn man, wie wir, mit Zelt und Campingkocher unterwegs ist. Abenteuerfaktor und Erlebnisdichte sind hier viel höher als bei anderen Reisearten.
Für eine größere Fahrradtour mit Gepäck brauchst du aber ein stabiles Reiserad, wasserdichte Packtaschen, gute Regenkleidung, Werkzeug, Ersatzteile und viele andere nützliche Dinge.
Das gesamte Equipment für Radreisen findest du in diesem Beitrag auf unserem Blog.
Nach einigen kleineren Fahrradtouren kennst du deine übliche Tagesstrecke in km sowie deine Routine im Tagesablauf und hast somit eine gute Basis für die Streckenplanung bei größeren Unternehmungen.
Tipp: Ideal fürs Fahrrad sind Straßen mit wenig Verkehr, wenig Höhenmetern und gutem Straßenbelag. Es gibt im Internet viele Routenbeschreibungen und Planungstools speziell für Radler. Das erleichtert dir die Routenplanung.
Die Besichtigung von Sehenswürdigkeiten beschränken wir persönlich meist auf Objekte, die leicht zu erreichen sind und auf unserem Weg liegen. Wir entdecken aber auch in allen Ländern viele sehenswerte Dinge an der Straße, die wir im Rahmen der Planung gar nicht auf dem Schirm hatten. Das sind unterwegs immer nette Überraschungen.
Idealerweise hast du für größere Fahrradtouren auch schon Erfahrung im Umgang mit Zelt und Kocher, der Regenkleidung, der Wartung und Reparatur am Fahrrad, der Navigation per GPS und Offlinekarte auf dem Smartphone, … ja, diese Auflistung lässt sich noch weiter fortsetzen. Alle Infos und Tipp zu diesen Themen findest du über diese Seite zur Reisevorbereitung für Fahrradreisen auf unserem Blog.

Die Route führte durch alle Länder des Vereinigten Königreichs sowie die Republik Irland, meist an der Küste entlang. Die Gesamtstrecke konnte in sieben Monaten bewältigt werden.
Die Planung unserer Fahrradtour durch Großbritannien
Für unsere Fahrradtour mußten wir die gesamte Route in Einklang mit den Jahreszeiten bringen. So war der Norden Schottlands für Juli/August geplant und unser Start in NRW musste schon in März/April erfolgen, um nicht zu spät im Norden anzukommen.
Es gibt auf den Inseln ein sehr gut ausgebautes und beschildertes Radwege-Netz (das National Cycle Network) und eine offizielle Website für die Planung der eigenen Routen: Sustrans. Das macht die Inseln zu einem perfekten Radler-Paradies, ganz gleich, ob mit oder ohne Gepäck am Fahrrad.
Viel spannender als unsere Routenplanung war unterdessen die Organisation unserer Abwesenheit aus Deutschland für 7 Monate. Wir mussten unsere Jobs aufgeben, die Post umleiten, haben auf Online-Banking umgestellt, eine vertraute Person für Notfälle bevollmächtigt, die Kommunikation mit der Heimat aufs Smartphone umgestellt und viele andere Vorbereitungen getroffen, die für einen normalen dreiwöchigen Jahresurlaub überhaupt nicht notwendig sind.
On the Road: Rundreise durch Großbritannien und Irland mit dem Fahrrad
Das Radeln mit 30 bis 40 kg Gepäck am Fahrrad ist deutlich anstrengender als Fahrradfahren ohne Gepäck. Das spürst du vor allem bei Anstiegen. Und davon gibt es in Großbritannien genug, insbesondere in Wales und Englands Süden.
Auch das Wetter kann dir schnell den Spaß verderben: Du erlebst viel Gegenwind und vor allem blitzartige Wetterwechsel in Großbritannien. An der irischen Westküste und in Schottland kannst du alle 4 Jahreszeiten an einem Tag erleben.
Zum Zelten haben wir in der Regel am späten Abend die Farmer nahe der Straße gefragt. Es war nie ein Problem. Wildes Zelten kam für uns nur im Notfall in Frage, war aber auch nirgends ein Problem. Kommerzielle Zeltplätze meiden wir, weil es unser Reise-Budget unnötig belastet und weil wir mit unserem Equipment in allen Punkten autark sind.
Alternativ zum Zelten bietet sich das private Übernachtungsnetzwerk Warmshowers an. Es ist ähnlich organisiert wie Couchsurfing, zählt allerdings deutlich weniger Mitglieder und ist speziell auf Reiseradler fokussiert. Du suchst einen Gastgeber am Wunschort, arrangierst die Übernachtung und lernst die interessantesten Menschen kennen. Mit manch einem unserer Gastgeber stehen wir heute noch in Kontakt.
Besonders unvergesslich blieb übrigens unsere erste Übernachtung in England: Wir erreichten Dover per Fähre in abendlicher Dunkelheit und sahen uns gezwungen, mitten im Wohngebiet einen Platz mit ausreichendem Sichtschutz zu finden. Wir waren dabei zwar erfolgreich, aber die Häringe hielten kaum in diesem unerwartet losen Kiesboden und ein im Weg stehendes Stück Moniereisen riss mir beim nächtlichen Rangieren unbemerkt ein Loch in den Boden einer Packtasche.
Unsere Routenplanung halten wir auf all unseren Radreisen immer sehr grob, um spontane Empfehlungen der Einheimischen in die Route mit aufnehmen zu können. Das vereinfacht die Vorbereitungen und hält uns auf Tour flexibel. So wissen wir in der Regel auch morgens nicht, wo wir am Abend unser Zelt aufschlagen werden. Insbesondere die Sehenswürdigkeiten und Highlights entlang unserer Reiseroute sind oft unkalkulierbare Zeitblöcke im Tagesablauf.
Die schönsten Highlights in Großbritannien haben wir hier zusammengestellt.

Die berühmten Kreidefelsen in Südengland sind meist das erste, was man bei Ankunft in Großbritannien sieht. Bei einer Radreise kann man der Steilküste besonders nah kommen.
Sehenswürdigkeiten in England mit dem Fahrrad entdecken
Wenn du mit der Fähre Dover ansteuerst, erlebst du eine spektakuläre Kreideküste. Sie zieht sich an der Südküste von England entlang und bietet immer wieder traumhafte Ausblicke.
Daneben gibt es viele nette Küstenorte und einige historische Städte, wie beispielsweise die Stadt Exeter mit vielen alten Bauwerken und Ruinen aus der Römerzeit.
Immer wieder durchfährt man in England sehenswerte Landschaften. Das größte Highlight ist in dieser Hinsicht Cornwall im Südwesten Englands.

Pembroke Castle ist nur eine der vielen tollen Burgruinen, die man auf einer Tour durch Wales entdecken kann.
Sehenswürdigkeiten in Wales mit dem Fahrrad entdecken
Wales zählt ganz bestimmt zu den eher unbekannten Reisezielen der Europäer. Zu unrecht. Denn es entpuppte sich für uns als ausgesprochen sehenswertes Land. Unglaublich viele Ruinen alter Burgen aus unruhigen Zeiten, eine traumhafte, zerklüftete Küste und einige Nationalparks (Brecon Beacons und Snowdonia) lagen auf unserer Strecke.
Einziger Wermutstropfen: Die Straßen in Wales weisen oft extreme Steigungen auf. Da wurde für uns sogar das Schieben unserer bepackten Fahrräder zur Tortur.
Sehenswürdigkeiten in Irland mit dem Fahrrad entdecken
„The West is the best“, so heißt es nicht ohne Grund. Die gesamte Westküste ist wild zerklüftet und bietet immer wieder spektakuläre Ausblicke. Seit 2014 ist diese Route auch als „Wild Atlantic Way“ zur offiziellen Touristenstraße ausgebaut und beschildert worden. Wir gehörten somit zu den ersten Touristen, die diese neue Strecke testen durften.
Den meisten ist lediglich der Ring of Kerry an dieser Küste ein Begriff. Doch die Westküste bietet viele gleichwertige Highlights, wobei die meisten davon bei Weitem nicht so touristisch überlaufen sind wie der Ring of Kerry:
- Mizen Head
- Ring of Bears (Erfahrungsbericht Autorundreise von MiniGlobetrotter)
- Kilkee Cliffs
- Connemara
- Ein weiteres Highlight sind die Cliffs of Moher, eine spektakuläre Steilküste.
Kulturell bietet Irland auch eine ganze Menge: Irish Folk Festivals, das Spiel auf der Tin Whistle und natürlich der irische Whiskey und die gälische Sprache.
Sehenswürdigkeiten in Nordirland mit dem Fahrrad entdecken
Wir sind geneigt, Nordirland und Irland nicht als 2 separate Länder zu betrachten, auch wenn das aus politischer Sicht auch schon vor dem Brexit nicht sauber war. Aber es gibt auch in Nordirland ganz reale Highlights. Zum Beispiel den Giant´s Causeway mit seinen außergewöhnlichen Basaltsäulen.
Nordirland ist das kleinste der Insel-Länder, hat jedoch auch einiges zu bieten:
- Giant´s Causeway (außergewöhnliche Basaltsäulen)
- Dunluce Castle (die mittelalterliche Burgruine umrahmt von spektakulärer Felsenküste)
- Carrick-a-Rede samt Rope Bridge (eine kleine Insel, die per Hängebrücke mit dem Festland verbunden ist)
Sehenswürdigkeiten in Schottland mit dem Fahrrad entdecken
Landschaftlich bietet Schottland:
- die Highlands (eine urwüchsige Landschaft mit vielen Munros, Berge mit mehr als 3000 Fuß Höhe)
- den Kaledonischen Kanal (eine Wasserstraße, die den tektonischen Graben Great Glen nutzt und auch durch das sagenumwobene Loch Ness verläuft)
- die Hebriden (zwei urwüchsige Inselketten vor der Westküste)
- die Orkney Islands (ein Archipel vor der Nordküste).
Aber auch kulturell hat Schottland einiges zu bieten:
- die historischen Städte Edinburgh und St. Andrews
- Ruinen alter Burgen aus dem Mittelalter
- die Dudelsack-Musik
- den schottischen Whisky
- den traditionellen schottischen Männerrock (Kilt).
Hürden und Abenteuer auf unserer Langzeit-Fahrradtour
Sieben Monate Fahrradtour garantieren einem Reiseradler natürlich auch eine ganze Menge Abenteuer und ungewöhnliche Erlebnisse. Schon auf unserer Anfahrt von NRW über Belgien bis nach Calais erlebten wir so einige Hindernisse.
Rolltreppen statt Rampen
In Antwerpen waren wir gezwungen, auf unserem Weg durch den Fußgängertunnel unter der Schelde die Rolltreppen zu benutzen, weil beide Aufzüge außer Betrieb waren. Das ist sehr spannend, weil die Rolltreppe steil und außergewöhnlich lang ist. Die 30 m Höhenunterschied mit 2 voll bepackten Fahrrädern zu überwinden, fabrizierte bei mir Muskelkrämpfe im Unterarm, weil ich permanent beide Handbremsen gezogen halten musste, um nicht nach hinten abzurutschen. Und das natürlich bei beiden Fahrrädern. Hätten mich die Kräfte unterwegs verlassen, wäre das eine fürchterliche Rutschpartie in die Tiefe geworden.
Nervige Straßenarbeiten
In Brügge zwang uns die Erneuerung der Straßendecke zu einer unumgänglichen Offroad-Passage, die uns tatsächlich 2 Stunden lang in Anspruch nahm.
Dutzende Viehbarrieren
Aber auch auf den Inseln behinderte uns so manche Schikane am Vorwärtskommen. Diese Barrieren aus Stahl sollen die Schafe an der Flucht hindern. Uns Reiseradler nötigen sie leider zu einem zeitaufwändigen Abpacken und Wiederaufpacken des gesamten Gepäcks. Wenn in manchen Regionen alle 500 m eine solche Barriere unsere Fahrt unterbrach, war das schon ziemlich nervig. Irgendwann kocht man dann vor Wut.
Das britische Wetter
Das Wetter erwischte uns ebenfalls: manchmal brauchte es lediglich 5 Minuten und aus strahlendem Sonnenschein wurde plötzlich ein heftiger Wolkenbruch. Da blieb kaum Zeit zum Kleidungswechsel und so waren wir blitzschnell nass bis auf die Knochen.
Der gefürchtete Felgenbruch
Zu den schlimmsten Pannen an unseren Fahrrädern zählte auf jeden Fall ein Felgenbruch am Fahrrad von Annett in Irland. So brauchte ich 2 Tage, um in der nächsten Stadt Ersatz zu beschaffen und selber umzuspeichen. Zum Glück hatte ich mir das Einspeichen vor einigen Jahren selber beigebracht (hier unsere Anleitung als kostenloser Download). Das ersparte uns jetzt sehr viel Geld.
Findet sich für eine solche Aktion nicht in unmittelbarer Nähe ein Platz für unser Zelt mit Erlaubnis vom Grundstückbesitzer, kann ein solcher Zwangsaufenthalt ziemlich anstrengend werden.

Hochlandrinder (Angus) findet man an vielen Orten in Schottland. Nur zelten sollten man neben ihnen besser nicht!
Tierische Begegnungen
Uns erwischte in Schottland eine wahre Zecken-Invasion. Hunderte kleiner Zecken hatten über Nacht den Weg in unser Innenzelt gefunden, und wir hatten 4 Tage lang unsere liebe Mühe, die unerwünschten Biester wieder aus unserer gesamten Ausrüstung zu entfernen. Besonders hilfreich erwies sich dabei normales Isolier-Klebeband.
In einer anderen Nacht war es eine Herde Hochlandrinder, die unser Zelt wohl besonders interessant fanden und uns von 24 Uhr nachts bis morgens um 7 Uhr eine schlaflose Nacht mit einer ungewöhnlichen Geräuschkulisse bescherte. Noch schlimmer als die Akustik war allerdings unsere Befürchtung, dass die spitzen langen Hörner sich mit dem Zelt und den Abspannleinen nicht so gut vertragen würden. Doch es passierte zum Glück nichts. Aber seitdem suchen wir vor dem Zeltaufbau den Erdboden immer sehr intensiv auf Hufabdrücke ab.
Ach ja, und dann waren da noch die gefürchteten Midges. Sie schwirren in großer Anzahl um einen herum und beißen. Sie können einen tatsächlich in den Wahnsinn treiben, so lästig sind sie in Schottland und Irland, sobald der Wind ausbleibt. An manchen Orten war eine Radelpause da nur unter Verwendung unseres Mückennetzes möglich.
Unser Fazit zur Fahrradtour durch Großbritannien
Die 7 Monate vergingen wie im Flug und es war eine unvergessliche Fahrradtour durch Großbritannien. Wir erlebten traumhafte Landschaften, viel traditionelle Kultur und sagenhaft nette und hilfsbereite Menschen.
So können wir sämtliche Länder auf den Inseln bedenkenlos weiterempfehlen. Dabei muss es natürlich nicht zwangsläufig eine Fahrradtour mit Gepäck sein und schon gar nicht eine siebenmonatige Reise durch alle Länder auf einen Schlag.
Neben Großritannien bieten sich auch viele andere Länder für solche Fahrradtouren an. Auf unserem Fahrradreisen-Blog findest du all unsere Fahrrad-Reisegeschichten incl. zu unserer mehrjährigen Radreise.
Alle Fotos wurden freundlicherweise von fahrrad-abenteuer-reisen.de für diesen Artikel zur Verfügung gestellt.
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