(Anzeige) Was ich besonders am Reisen schätze ist, dass man dabei so viel lernen kann. Nicht selten wird man dabei auch komplett überrascht. So wie zum Beispiel, als ich eine kleine Stippvisite im Örtchen Kilkee im irischen County Clare absolvierte. Denn was ich bis dahin noch nicht im Ansatz erahnt hatte, war, dass mit Kilkee eine unerwartete Verbindung mit einer der kontroversesten Figuren des 20. Jahrhunderts bestand: Che Guevara.
Als unser Reisebus sich langsam durch die engen Straßen von Kilkee, dieser sehr verschlafenen Küstenstadt im Westen Irlands, schlängelte, fiel mein Blick auf ein farbenfrohes Graffiti auf einem der Wohnhäuser. Es zeigte das berühmte Porträt des kubanischen Rebellen, Che Guevara. Der Anblick war so unerwartet und überraschend, dass ich zweimal hinschauen musste. Nicht, weil es ein Graffiti von Che Guevara war, sondern weil es eigentlich in so kleinen irischen Ortschaften überhaupt keine Graffitis auf Hauswänden gab.
Trotzdem hakte ich das soeben Gesehene ab und parkte es als „seltsam, aber nicht allzu bemerkenswert“ in den Tiefen meines Gehirns. Wir verließen den Bus, um einen kleinen Spaziergang entlang der spektakulären Cliffs of Kilkee zu unternehmen. Leider war es ein sehr verdrießlicher Tag, grau und regnerisch, so dass Kilkee uns nicht gerade in seinen Bann ziehen konnte. Alle Farbe schien schon vor Tagen von den Häusern gewaschen worden zu sein. Der Himmel hing tief in grauen Wolken, der Strand war ein schmutziges Braun, der Regen erwischte uns von der Seite. Es war sicherlich nicht der schönste Tag, um Kilkee zum ersten Mal zu besuchen.
Doch dann, inmitten all dieser traurigen und verwaschenen Tristesse gab es auf einmal etwas, das mir direkt ins Auge fiel. Da war es wieder, ein Porträt von Che Guevara. In Regenbogenfarben lachte es mir entgegen, prangte laut strahlend auf der grauen Strandmauer. Stolz und fröhlich, wie eine exotische Pflanze in einer Wüste aus Grau. Hier war also schon wieder, dieser berühmteste aller Kubaner, eroberte sich meine Aufmerksamkeit zurück aus dem Nebel, der sich durch das trübe Wetter über meine Wahrnehmung gelegt hatte.
Doch warum war er dort, und was hatte das eigentlich alles zu bedeuten?

Nur wenige Schritte unterhalb der Strandstraße von Kilkee leuchtete völlig unerwartet das farbenprächtige Bild des Rebellen.
Den Blick trotzig in die Ferne gerichtet
Um die Verbindung zwischen Che Guevara und dem irischen Kilkee am Wild Atlantic Way zu verstehen, musste man eine ganze Zeit zurückgehen, nämlich zu den wilden Sechzigerjahren. An irgend einem Tag platzte nämlich plötzlich der junge Che Guevara durch die Türen eines der örtlichen Pubs, das Royal Marine Hotel, das sich auch heute noch, mehr als 50 Jahre später, an genau diesem Ort befand. An der Bar bestellte er sich und seinen Genossen einen Drink, den ein junger Einheimischer namens Jim Fitzpatrick auch prompt servierte. Jim erkannte natürlich sofort, um welch berühmten Besucher es sich bei Che handelte und verwickelte den Rebellen auf typisch irische Art in eine angeregte Unterhaltung.
Wie sich im Laufe des Gesprächs herausstellte, war Che gerade auf der Durchreise von Kuba nach Russland (oder vielleicht auch andersherum). Doch der Nebel am Shannon Airport hatte der Reisegruppe einen Strich durch die Rechnung gemacht, weshalb man nun einen unfreiwilligen Zwischenstopp in Irland einlegen musste. Neugierig geworden, hatte Che Guevara kurzerhand mit seiner Entourage ein Auto gemietet und war losgezogen, die irischen Landschaften zu erkunden.
Jim Fitzpatrick war so aus dem Häuschen über diese völlig unerwartete Begegnung, dass er sich einige Zeit später dazu entschied, ein Porträt des Kubaners anzufertigen. Als Vorlage wählte er ein berühmtes Foto von Alberto Korda. Dieses Porträt würde kurz darauf in die Geschichte eingehen. Man würde es auf T-Shirts drucken. Promis würden es sich auf ihre Unterarme tätowieren lassen. Und die Stadt Kilkee würde es in Regenbogenfarben an die Strandmauer malen.

Der Wanderweg entlang der spektakulären Cliffs of Kilkee war eines der bekanntesten Attraktionen dieses Küstenortes in Irland.
Weitere Promibeziehungen zwischen Irland und Amerika
Kaum jemand wusste heutzutage, dass Ernesto Che Guevara irische Vorfahren gehabt hatte. Man würde es ja auch kaum vermuten. Schließlich hatte Che ja kein rotes Haar gehabt. Es war der Vater Che Guevaras, dessen Vorfahren ursprünglich aus Irland stammten. Sein Name: Guevara Lynch. Die Lynch-Familie war auch heute nicht ganz unbekannt in Galway, denn sie zählte zu einer der 14 führenden Familien in Irland. Der erste Guevara, der im 18. Jahrhunder Irland verlassen hatte, um schließlich ein einflussreicher Großgrundbesitzer in Argentinien zu werden, war ein Mann namens Patrick Lynch gewesen.
Es war nicht ganz ungewöhnlich, dass berühmte Leute aus Amerika mit einer irischen Verbindung aufwarten konnten. Immer wieder stieß ich in Irland auf Geschichten von Menschen, deren Vorfahren aus Irland stammten. Sogar der amerikanische Ex-Präsident Barack Obama hatte irische Wurzeln, auch wenn man das ebenfalls kaum vermuten würde. Heute erinnerte das Barack Obama Plaza, eine große Raststätte an der M7 im County Offaly, an diese ungewöhnliche Beziehung, denn hier befand sich ein kostenloses Museum, das Obama gewidmet war.
Als Obama mit seiner Frau Michelle während seiner Amtszeit Irland besuchte, wurde er vom Volk begrüßt wie ein lange verloren gegangener Sohn. Die Iren waren so stolz auf ihre Verbindung zum amerikanischen Präsidenten gewesen, dass die Zeitungen ihn kurzerhand in O’Bama umbenannten.

Kaum zu glauben, dass dieser friedliche und abgelegene Ort eine Verbindung zur Revolutionsbewegung in Kuba haben sollte.
Jugendlicher Rebell oder gefährlicher Krimineller?
Die Meinungen gingen ziemlich weit auseinander darüber, ob Che Guevara nun ein junger Revoluzzer war, der gegen die Obrigkeit rebelliert hatte, oder ob er nicht vielleicht eher ein Massenmörder gewesen war. Auch in Irland wurde diese Frage immer wieder heiß diskutiert, auch in Verbindung mit dem Porträt auf der Strandmauer in Kilkee.
Nachdem einige amerikanische Touristen sich 2013 öffentlich darüber beschwert hatten, dass das Antlitz von Che Guevara in Kilkee so deutlich sichtbar zur Schau gestellt wurde, übermalte die Stadtverwaltung das Porträt, um einen weiteren Shitstorm zu verhindern. Doch auch wenn man vielleicht nicht mit den Motiven und den Mitteln Che Guevaras einverstanden war, so konnte man nicht verschweigen, dass eine starke Verbindung zwischen Che und Kilkee bestand.
Nach zwei Jahren erschien das Porträt wieder auf der Strandmauer: das sechs Meter große Wandgemälde in leuchtenden Farben, das wir heute wieder sehen konnten. Die Stadtverwaltung war dabei jedoch darauf bedacht zu betonen, dass das Bild ein Symbol darstelle und ein Denkmal an den erinnerungswürdigen Besuch des Rebellen war. Die Intention war nicht, die Öffentlichkeit zu brüskieren oder eine Kontroverse in den Raum zu stellen.

Golf, Wassersport, Wandern: Kilkee war ein beliebter Ferienort im Sommer, doch auch das Südamerika-Festival im September brachte viele Besucher in diesen kleinen Ort.
Die Sache mit Che Guevara in Kilkee heute
Wer heute das Küstenstädtchen Kilkee besucht, sollte auf jeden Fall auch einen Spaziergang zum Strand unternehmen, egal, wie das Wetter gerade ist. Dabei kann man dann einen Blick werfen auf die Strandmauer mit dem Bild von einem der schillerndsten und doch widersprüchlichsten Menschen des 20. Jahrhundert. Ganz deutlich zu sehen ist, wie die bunten Farben sich in den flachen Pfützen auf dem schlammigen Strand widerspiegelen. Betrachtet man genau die Details, so sieht man die Art, wie der Blick des Mannes auf einen Punkt in der Ferne fällt, mit Augen, die von einer besseren Zukunft zu träumen scheinen, was auch immer das für den Einzelnen bedeutet. Ich fühlte bei der Betrachtung ganz deutlich die Entschlossenheit und den Stolz in seiner Pose. Ein Symbol der Hoffnung für eine ganze Generation.
Ich will an dieser Stelle nicht Che Guevaras Handlungen rechtfertigen. Aber ich möchte sagen, dass ich es toll finde, wie ein kleines Städtchen wie Kilkee sich nicht hat unterkriegen lassen und seine Position verteidigt. Che Guavara war mehr als nur ein Rebell aus Kuba, er war zeitgleich auch ein Symbol für den Optimismus einer jungen Generation, und das wirkt auch noch bis heute nach.
Das Wandgemälde von Che Guevara auf der Strandmauer von Kilkee bietet einen weiteren interessanten Aspekt für das Städtchen Kilkee, ist eine weitere Attraktion, wegen derer sich ein Besuch lohnt. Es ist ein guter Gesprächsansatz und hinterlässt auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck.
Wenn du selbst einmal in Kilkee bist, wirf einen Blick auf dieses ikonische Kunstwerk. Am besten besucht man Kilkee dafür übrigens im September, wenn das alljährliche Che do Beatha Festival mit Musik, Kunst und Essen aus Südamerika stattfindet.
Ich besuchte Kilkee als Teil einer Pressereise mit Failte Ireland.
Das könnte dich auch interessieren:
- Der Zauber der irischen Beara-Halbinsel
- Riesen, Internatsschüler, Geheimer Garten: Kylemore Abbey
- Spannende Geschichten vom Wild Atlantic Way
Jetzt auf Pinterest für später merken: