Die Beelitzer Heilstätten: Ich erinnere mich, wie ich vor zwanzig Jahren durch einen Brandenburger Wald fuhr und auf einmal an den Ruinen eines einhundert Jahre alten Krankenhauses vorbeikam. Die Gebäude standen irgendwo im Nichts und waren von hohen Bäumen umgeben. Besprühte Wände, eingeschlagene Fenster, wacklige Bauzäune. Es war faszinierend, diesen verlorenen Ort zu sehen, und ich erinnere mich, wie ich im Auto saß und sehnsüchtig meine Nase an der Fensterscheibe plattdrückte.

Beinah scheinen die Bauwerke der Beelitzer Heilstätten vom brandenburgischen Urwald verschluckt zu werden. Einen Teil der Anlage kann man heute – ganz legal – erkunden.
Den Ort, den wir damals südlich von Berlin entdeckt hatten, waren die Beelitzer Heilstätten. Ein altes Lungensanatorium und Krankenhaus aus der Zeit der Jahrhundertwende, das jetzt langsam vor sich hin rottete. Ganz offensichtlich war es gefährlich, die Ruinen zu betreten, deshalb die Zäune, und darum fuhren wir auch damals unverrichteteter Dinge weiter. Doch unsere Entdeckung an diesem Tag konnte ich nie so recht vergessen.
Zwanzig Jahre später, und ich lebe nach einiger Zeit im Ausland wieder in Berlin. An meinem Geburtstagswochenende suchten wir im Internet nach Ideen für einen Ausflug bei schönstem Frühlingswetter. Die Beelitzer Heilstätten tauchten wieder auf, doch diesmal sind sie als eines der wenigen Lost Places frei zugänglich. Ein Baumwipfelpfad windet sich durch einen Teil des Geländes lässt die Geschichte dieses Ortes nahbar werden. Es gab für mich an diesem Samstag kein Halten mehr: Da musste ich hin.

Krankenhaus und Sanatorium aus der Zeit um 1900 blicken auf eine bewegte Geschichte zurück, die den Mythos nur noch mehr angefacht hat.
Eine kurze Geschichte der Beelitzer Heilstätten
Berlin um 1900. Es leben knapp 1,8 Millionen Menschen in der Stadt, knapp die Hälfte der heutigen Einwohnerschaft. Doch sie leben anders als wir. Die meisten Berliner sind in engen Mietskasernen untergekommen, leben in dunklen Hinterhöfen unter katastrophalen hygienischen Bedingungen, atmen Tag für Tag den Rauch und den Dreck der Industrie und tausender Kohleöfen ein. Schlimme Krankheiten grassieren, die auch vor den wohlhabenden Berlinern nicht Halt machen, allen voran die gefüchtetete Tuberkulose.
Zu dieser Zeit eröffneten die ersten Gebäude der Beelitzer Heilstätten im Süden von Berlin. Nur eine kurze Zugfahrt vom Trubel der Hauptstadt entfernt, aber mitten im Grünen gelegen. Es muss wie eine Reise in eine andere Welt gewesen sein für diese Patienten, die sonst nichts anderes kannten als das Geschrei von Kindern, das Hämmern von Werkstätten und die von Schloten und Kaminen verdreckte Luft.

Die saubere Luft jenseits der verpestenden Industrieschlote Berlins war ideal für die Heilung der gefürchteten Tuberkulose.
Die Behandlung von Lungenkrankheiten war schwierig und langwierig. Tägliche Luftkuren standen an der Tagesordnung: Die Patienten wurden in ihren Betten nach draußen befördert, wo sie stundenlang die saubere Luft Brandenburgs einzuatmen hatten, egal bei welcher Witterung.
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen die Russen die Anlage aus 60 Gebäuden, nutzen die Gebäude teilweise als Militärkrankenhaus. Die Beelitzer Heilstätten wurden Sperrgebiet. Nach der Wende schien der Verfall unaufhaltsam, bis einige Ideen zumindest Teilen der Anlage wieder neues Leben einhauchten. Eine davon war die Erbauung eines Baumkronenpfads.

Auf 40 Meter beginnt unsere Wanderung über den Wipfeln des Beelitzer Waldes, hoch genug, um das gesamte Gelände zu überblicken.
Mit dem Baumkronenpfad den verlassenen Ort erkunden
Bei unserem Besuch geht es zunächst einmal hoch hinauf. Wir lassen den Aufzug im Aussichtsturm links liegen, wollen jede Stufe körperlich erfahren. Wir klettern den 40 Meter hohen Turm hinauf und werden mit einem Panoramablick auf die tiefen Wälder Brandenburgs belohnt. Ab und zu schauen die eingefallenen Dächer des Sanatoriums auf den Bäumen hervor, zeigen deutlich, wie sich die Natur diesen Ort langsam wieder zurückerobert.
Auf einigen Hundert Meter schlängelt sich im Anschluss der Baumkronenpfad durch die Ruinen des Sanatoriums, ermöglicht es uns, den verfallenen Bauten ganz nah zu kommen. Wir gehen über eines der Häuser hinweg, schweben über dem aufgebrochenen Dach, wo kräftige Bäume das gesamte Bauwerk wie Mörtel zusammenhalten. Von oben sehen wir tief in die Strukturen, können beinah ihre Geschichte fühlen.
Zerbrochene Fenster, eingestürzte Wände, russiches Graffiti in der gähnenden Leere der entkernten Räume – die Vergänglichkeit menschlichen Schaffens und die Unaufhaltsamkeit der Zeit wird uns hier auf einmal ganz deutlich. Wir müssen an eine Zombieapokalypse denken: Würde die Welt auch für uns nach nur 70 Jahren so aussehen? Es war schwer vorstellbar, doch die Bäume vor uns bewiesen uns, wie wenig der Mensch sich im großen Ganzen auf Dauer durchsetzen kann.

70 Jahre alte Bäume wachsen auf dem Dach dieses Gebäudes, halten mit ihrem Wurzelwerk die Steine in Position, die sonst wahrscheinlich schon längst zusammengestürzt wären.
Tipps für den Besuch der Beelitzer Heilstätten
Das Wetter muss nicht perfekt sein, um den Baumkronenpfad zu genießen. Auch Nebel und sogar Regen könnten den Ruinen eine besonders berührende Atmosphäre verschaffen. Wir waren an einem der ersten Frühlingstage des Jahres da, hatten noch viele kahle Bäume und dunkle Schatten. Wie bei einem Park oder Garten gibt es zu anderen Jahreszeiten durch den Wandel der Natur immer wieder neue Schönheiten auf dem Weg zu entdecken.
Am besten besucht man diesen Lost Place mit dem Auto, die Fahrtzeit von Berlin beträgt in etwa eine Stunde. Die kostenlose Parkplätze liegen ein wenig abseits, man muss ein paar Hundert Meter über das Gelände der Beelitzer Heilstätten gehen, bis man zum Eingang des Baumkronenpfads kommt. Hunde müssen an der Kasse auf ihre Herrchen warten, doch für Kinder gibt es einen tollen Abenteuerspielplatz am Fuße des Aussichtsturms. Das Gelände insgesamt ist ansprechend wieder hergerichtet mit geschmackvollen Dekorationen, nett eingerichteten Aufenthaltsbereichen und einem Cafe.
Es finden regelmäßig kostenpflichtige Führungen durch die Gebäude wie das berühmte Alpenhaus oder die Alte Chirurgie statt. Auch wenn wir an einer Tour (noch) nicht teilgenommen haben, kann ich mir vorstellen, dass sie eine tolle Ergänzung zum Erlebnis draußen sind. Doch auch ohne Führung kann man die Gebäude zumindest von außen besichtigen, hat also noch andere Perspektiven als die von oben vom Baumkronenpfad. Im Sommer empfiehlt sich der Besuch des angrenzenden Barfußparks.

Verfallenes Mauerwerk, Graffiti und eine Ahnung von Krankenhaus – der Baumkronenpfad Beelitz Heilstätten gibt tiefe Einblicke in das Gelände.
Fazit
Die Beelitzer Heilstätten bei einem Ausflug zu besuchen war das Beste, was mir zu meinem Geburtstag hätte passieren können. Geister haben wir zwar keine gesehen, aber mithilfe des Baumkronenpfads kamen wir so nah an die Ruinen heran wie es sonst nur Vandalen auf illegalem Wege kommen, und das dabei in luftigen Höhen. Wir lukten tief in die Zimmer, sahen buntes Graffiti an den Wändern, waren auf Augenhöhe mit den auf dem Dach wachsenden Bäumen.
Die Atmosphäre war magisch, eine einzigartige Symbiose aus Mensch und Wald, ein Eintauchen in einen wichtigen Teil der Geschichte Berlins. Durch die Erhöhung des Weges war es möglich, viel mehr von den Beelitzer Heilstätten zu sehen als bei einem normalen Besuch.
Übrigens bekommen Geburtstagskinder hier freien Eintritt. Ein weiterer Grund, warum wir uns an meinem Geburtstag für einen Besuch entschieden haben. Ansonsten zahlen Erwachsene um die 10 Euro, Kinder ab 7 Jahren leicht ermäßigt. Weitere Informationen zu den Beelitz Heilstätten beim Betreiber Baum & Zeit: Baumkronenpfad Beelitzer Heilstätten.
Vielen Dank an Baum & Zeit, die Betreiber des Baumkronenpfads, die mir die Verwendung meiner Fotos für diesen Artikel freundlicherweise gestattet haben.
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