Diese Herbstferien ging es für uns mit den Kindern an die Ostsee. Sicherlich nicht die beste Jahreszeit, um in Deutschland an die Küste zu fahren, aber auch nicht die schlechteste: Wir stellten uns vorab schon mal mental auf schlechtes Wetter ein und mieteten uns mit Absicht ein kleines Häuschen mit Kamin.
Wider Erwarten hatten wir dann aber doch ein paar trockene, wenn auch ziemlich stürmische Tage, so dass wir beschlossen, zur Bernsteinsuche an den Strand zu fahren. Was wir nicht ahnen konnten, war, dass es erstens gar nicht so einfach war, Bernstein tatsächlich auch zu finden, und zweitens, dass wir mit der Suche unser Leben aufs Spiel setzen würden (dramatische Hintergrundmusik an!).

Im Herbststurm trieb das Meer jede Menge Schaum an den Strand, der sich wie Schneeflocken auf den Dünen absetzte.
Kuscheliger Ostseeurlaub im Herbst
Wir verbrachten also einige Tage im kleinen Dörfchen Köhn, was zwischen Lübeck und Kiel und wenige Kilometer von der Ostsee entfernt liegt. Eine wirklich reizende Gegend mit vielen Seen, Wandermöglichkeiten und Stränden zur Auswahl. Wir machten in der Zeit ein paar Tagesausflüge, einen nach Lübeck, einen auf die Insel Fehmarn und einen zum von der UNESCO ausgezeichneten Wikinger-Museum Haithabu bei Flensburg.
Doch an einem Tag, da wollten wir auch mal an den Strand und raus in die Natur. Am besten verkauft man sowas den Kindern ja, indem man sie auf eine Mission schickt. Wir wählten daher die Bernsteinsuche als Thema aus, denn wer mag nicht am Strand nach versteckten Schätzen suchen? Und so ging es durch die Dörfer und Wälder und im Zickzackkurs durch die Felder, bis wir an einem gottverlassenen Parkplatz irgendwo westlich vom Weißenhäuser Strand wieder herauskamen.
Doch der Jammer war groß, als wir am Ende unserer Fahrt erkennen mussten, wie heftig der Sturm an diesem ungeschützten Küstenabschnitt tobte. Doch es half alles nichts! Reißverschlüsse ganz nach oben, Mützen auf und Hände in die Taschen, und dann ging es also los!

An einem gottverlassenen Parkplatz irgendwo an der Ostsee trotzten wir der steifen Brise, um ein wenig Bernstein zu suchen.
Auf Bernsteinsuche irgendwo an der Ostsee
Der Wind blies an diesem Tag so heftig, dass selbst die kleinen Vögelchen um uns herum zu verzweifeln schienen. Angestrengt stemmten sie sich gegen die steife Brise, keinen Zentimeter nach vorne, aber immerhin in stabiler Lage. Wir drückten mit voller Kraft die Autotüren auf und machten letzte Vorkehrungen im Windschatten des aufgeklappten Kofferraums bis nur noch unsere Nasen hervorschauten. Dann kletterten wir den rutschigen Abhang vom Parkplatz hinunter und verteilten uns strategisch über den Strand.
Der Wind trieb das Wasser an Land; in großen Flocken schäumte es über den Kies. Wie Schneeflocken flogen einige Fetzen von Schaum über unsere Köpfe hinweg. Riechen konnten wir so gut wie gar nichts. Der Wind vertrieb jegliche Ahnung von salzigen Meeresaromen. Angestrengt versuchte ich, unter den Tausenden von Kieseln den richtigen auszumachen. Wo war der Bernstein? Wie sah es eigentlich aus?
Unter diesen erschwerten Bedingungen blieb mir nur ein: Ich füllte meine Taschen mit allem, was irgendwie nach einem honiggelben Stein aussah. Die Kinder taten es mir gleich, aber wir konnten wegen des um uns wütenden Sturms nicht wirklich erkennen, ob das, was wir da eigentlich sammelten, eine Chance hatte ins Buch der Bernsteine aufgenommen zu werden. Egal. Erstmal mitnehmen, und dann würden wir weiterschauen.

Wie erkannte man eigentlich Bernstein? Unter erschwerten Bedingungen sammelten wir alles ein, was annähernd wie ein goldgelber Stein aussah.
Bernstein oder doch was anderes?
Nach einigen Minuten waren wir völlig unterkühlt und bereit, wieder zurück zum Ferienhaus zu fahren. Unsere Ausbeute packten wir in Tüten verstaut in den Kofferraum. Auf der Fahrt durch die Felder, Wiesen und Wälder, im Schutz des Autos und ohne das lästige Zerren des Windes an der Kapuze, hatten wir nun auch endlich die Gelegenheit, uns über unsere Funde und unsere Erfahrungen auszutauschen.
Hatten wir nun wirklich kiloweise Bernstein an der Ostsee gefunden? War dies wirklich möglich? Wie konnte man denn eigentlich sehen, ob es sich um Bernstein handelte? Ich googelte die Lösung, das bedeutete, die verschiedenen Möglichkeiten, wie man auf Echtheit von Bernstein prüfen konnte. Am einfachsten, und ohne den Stein zu zerstören, erschien uns der Salzwassertest. Wir nahmen uns daher vor, diesen Test auch sogleich Zuhause auszuführen.
Doch dann las ich noch ein wenig weiter und entdeckte etwas über Bernstein, dass ich noch gar nicht wusste. Viele Leute verletzten sich nämlich beim Bernsteinsammeln, weil sie statt Bernstein gefährliches Phosphor einsammelten und sich dieses beim Trocknen in der Hosentaschen entzünden konnte. Das brennende Produkt war zudem schwer mit Wasser zu löschen und äußerst giftig. Meine Gedanken wanderten zu dem Haufen „Bernstein“ in unserem Kofferraum. Ich schaute von meinem Handy auf, drehte mich nach hinten und schluckte.

Ein herrliches Naturerlebnis nichtsdestotrotz, und umso schöner, wenn man im Anschluss wieder ins Ferienhäuschen mit Kamin fahren kann.
Der Bernstein-Test
Zum Glück ging unser Auto während der Fahrt nicht hinterrücks in Flammen auf, und wir kamen alle wohlbehalten wieder im Ferienhaus an. Phosphor hatten wir also schon mal höchstwahrscheinlich nicht geladen. Aber war es wirklich Bernstein? Wir besorgten uns alle Utensilien aus der Ferienhausküche, um jeden der gelben Steine einzeln in ein Salzwasserbad zu legen.
Zwischendurch hatten wir auch noch die Marktpreise für echten Bernstein gegoogelt. Insgeheim wähnten wir uns schon Multimillionäre. Man konnte die Spannung förmlich mit dem Messer schneiden. Würde dieser erste Stein etwa Bernstein sein? Vorsichtig legten wir ihn auf die Wasseroberfläche. Der Stein sank – nun ja – wie ein Stein zu Boden der Schale. Wir suchten einen Stein aus, der Einschlüsse hatte, deutlich gelb war, und eine weiche Oberfläche hatte, beinah wachsartig. War dies nicht Bernstein? Wir machten den Test, aber auch hier wieder ein klares Nein.
Nach und nach legten wir die Steine ins Wasser, jeder einzelne sank zu Boden. Immerhin war es auch kein Phosphor, so hatten wir zumindest Glück im Unglück. Auch wenn mein Mann selbst heute immer noch darauf bestand, dass mindestens ein, zwei Exemplare Bernstein sein müssten. Sie leben jetzt in einem Schrank in unserem Wohnzimmer.

Nach nur wenigen Minuten hatten die Kinder keine Lust mehr, nach dem goldenen Stein zu schürfen. Ich konnte ihnen da noch nicht einmal Vorwürfe machen.
Bernstein, Phosphor, und der Glaube an den großen Fund
Es gab da einige Möglichkeiten zu testen, ob es sich um Bernstein handelte. Der Salzwassertest war nur einer davon. Bernstein hatte spezifische Eigenschaften, die man gut untersuchen konnte. So ließ er sich zum Beispiel anzünden. Er war auch leitfähig und konnte sich beim Abrieb an Wolle elektrostatisch aufladen. Vielleicht werden wir irgendwann noch eine weitere Versuchsreihe ausführen und wirklich ein für alle mal festzustellen, ob wir an jenem Tag an der Ostsee Bernstein gefunden haben.
Immerhin war es kein Phosphor. Immerhin war es ein tolles Erlebnis mit den Kids, das sie so schnell nicht vergessen werden. Immerhin habe ich jetzt eine gute Geschichte zu erzählen, von Herbstürmen voller Flockenschaum, täuschend unechtem Bernstein und dem Glauben, der niemals stirbt.
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